Die Geschichte Friedbergs
Das Stadtgebiet von Friedberg erstreckt sich überwiegend am Westrand des Tertiärhügellandes, wo sich der Lech als reißender Gletscherschmelzwasserstrom in der Risseiszeit ein breites Bett geschaffen und an seinem Ostufer die steile Lechleite geformt hat. Funde aus fast allen vor- und frühgeschichtlichen Epochen belegen, dass der Lechrain ein ständiger Siedlungsraum gewesen ist. Als die Römer ab 15 vor Christus das Alpenvorland bis zur Donau eroberten, erschlossen sie bald das Land durch Straßen und sicherten es durch Kastelle und Siedlungen. Zwei Kastelle südwestlich von St. Afra im Felde nahe der römischen Fernstraße vom Brenner nach Augsburg stellen die ältesten Bauspuren des römischen Heeres nördlich der Alpen dar. Zur Versorgung der Provinzhauptstadt entstanden allmählich Bauernhöfe und Handwerksbetriebe, die vornehmere Stadtbevölkerung baute sich Vorstadtvillen. Mehrere landwirtschaftliche Betriebe, zwei Ziegeleien und eine großzügige „villa suburbana“ finden sich im Friedberger Stadtbereich. Am Rande dieser Villa in Friedberg-Süd legte eine adelige Familie im ausgehenden 7. Jahrhundert einen kleinen Bestattungsplatz an. Die dazugehörige Siedlung lag nördlich davon, dort, wo vermutlich auch die Punenhöfe standen, die unmittelbaren Vorgänger der Stadt Friedberg, deren Felder unter die Bewohner der neugegründeten Stadt aufgeteilt wurden.
Eine Stadt in exponierter Lage an der Landesgrenze war für den Landesherrn sicher wichtig, für die Bürger aber bedeutete die Grenzlage in den folgenden Jahrhunderten oftmals Gefahr für Leib und Leben, Zerstörung und Plünderung ihres Hab und Guts, erstmals durch die Augsburger 1296 und bald darauf in den Auseinandersetzungen zwischen Augsburg und Bayern. Nicht verwunderlich ist es so, dass Friedberg schon bald als Minderstadt dahinfristete, gelegentlich sogar nur noch als Mark bezeichnet wurde. Dies änderte sich nach der dritten Teilung Altbayerns 1392. Friedberg fiel dem Teilherzogtum Bayern-Ingolstadt zu und Herzog Ludwig VII., der Gebartete, sicherte alsbald seinen Landesteil. Friedberg fiel dabei eine wichtige Rolle zu. Deshalb baute er nach 1400 die Burg aus, umgab den Ort mit einer festen Mauer, verlieh ihm ein neues Stadtrecht und schuf einen neuen Landgerichtsbezirk Friedberg. Die kurze Ingolstädter Herzogszeit endete unglücklich. Nach der Erhebung des Sohnes gegen den Vater kam der Landesteil und somit auch Friedberg 1447 für ein halbes Jahrhundert an die „reichen“ Herzöge von Niederbayern. Die unseligen Landesteilungen endeten mit dem Primogeniturgesetz von 1506, das bestimmte, dass nach dem Tod des Herzogs jeweils der älteste Sohn Bayern regieren sollte. Für eine kurze Übergangszeit fiel Friedberg an Herzog Wolfgang, dem besonders die Landgerichte Aichach und Friedberg zur Nutznießung überlassen worden waren. Seit 1514 war Herzog Wilhelm IV. Landesherr. Friedberg verzeichnet seitdem einen bedeutsamen wirtschaftlichen Aufschwung. Mit dafür ausschlaggebend war auch die Eröffnung der Taxis´schen Postlinie Augsburg-Prag um das Jahr 1526. Zu den bedeutenden Stadtzolleinnahmen aus mannigfachen wichtigen Gütern, allen voran Salz und Wein, kam die Erlaubnis zu einem wöchentlichen Getreidemarkt und einem Viehmarkt. Noch wichtiger für Friedberg wurde, dass sich Herzogin Christine von Lothringen von 1568 bis 1575 die Burg Friedberg als Witwensitz wählte. Nach einem Brand 1541 war die Burg bis 1559 als Vierflügelanlage nach den Plänen Jörg Sterns dem gewandelten Zeitgeschmack entsprechend neu aufgebaut worden. Für Christines Wahl war neben dem Neubau aber wohl mehr die Nähe zur Reichsstadt Augsburg mit ihren vielfältigen Ablenkungsmöglichkeiten ausschlaggebend. Prunk- und genusssüchtig verwandelte sie in diesen Jahren Friedberg zu einem Mittelpunkt des Hoflebens in Bayern. Natürlich hielten sich die Tochter, Herzogin Renata, und deren Gemahl, der Thronfolger Wilhem V., manchmal monatelang hier auf. Ihr gutes Verhältnis zum Schwiegervater, Herzog Albrecht V., war Grund, dass dieser sehr oft einen Besuch abstattete. Feste, Turniere, Scheibenschießen fanden statt, gegenseitige Besuche mit Augsburger Patriziern, Schlittenfahrten und vieles mehr. Günstig beeinflusst wurde selbstverständlich das Wirtschaftsleben der Stadt Friedberg, für die Jesuiten vielleicht mit ein Grund dafür, dass sie 1587 eine Niederlassung in Friedberg gründeten.
Das Jahrhundert verabschiedete sich schrecklich. Die Pest wütete 1599 furchtbar in der Stadt. Von ein „Drittel der Bevölkerung“ bis zu „1000“ reichen die Angaben über die Toten. Die Mariensäule mit dem später beigefügten Brunnen erinnert an das in schwerer Zeit abgelegte Gelübde. Kaum hatte sich die Stadt etwas erholt, brach der Dreißigjährige Krieg in Europa los. Zweimal wurde die Stadt im Verlauf des Krieges zerstört, am schlimmsten am 16. Juli 1632. Bei Kriegsende glich sie einer Steinwüste. Das heutige Aussehen geht daher ausschließlich auf die nachfolgende Zeit zurück. Die Baumaßnahmen liefen recht zögerlich an, wahrscheinlich war der Hauptgrund dafür, dass die Jesuiten nun ihre Besitzungen nach und nach wieder aufgaben. Ab etwa 1670 wurde das Rathaus neu erbaut. Es schließt sich eng an die repräsentative Bauten von Elias Holl in Augsburg an. Allmählich regten sich Handwerk und Handel wieder. Fast unbemerkt hatte sich ein neuer Handwerkszweig in der Stadt etabliert, der für die nächsten 150 Jahre Friedberg bestimmte und bis heute die Stadt in ganz Europa bekannt machte: es sind die Uhrmacher. An die 350 Namen Friedberger Uhrmacher sind derzeit bekannt. Ganze Familien waren in den Arbeitsprozess eingespannt und verfertigten Spindeln, Kloben und Zeiger. Tischuhren, Stockuhren, Telleruhren, Karossenuhren, Sackuhren aus Friedberg finden sich in allen bedeutenden Museen Europas und erzielen bei Auktionen Höchstpreise. Da in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die ausländische Konkurrenz zu groß wurde, firmierten Friedberger Meister nicht selten mit entstelltem Namen und falscher Ortsangabe, manche zog es auch selbst ins Ausland. Der Spanische und der Österreichische Erbfolgekrieg sowie die Koalitionskriege brachten immer wieder Unterbrechungen in diese Zeit relativen Wohlstands.
Zwischen 1731 und 1753 wurde die auf ein Gelöbnis eines Friedberger Jerusalem-Pilgers nach 1300 entstandene Herrgottsruhkirche zur heutigen Wallfahrtskirche umgestaltet. Sie gehört zu den schönsten und herausragendsten Schöpfungen des bayerischen Rokoko. Bedeutendste Künstler dieser Zeit wie Cosmas Damian Asam, Matthäus Günther und Franz Xaver Feichtmayr gestalteten den Innenraum mit seinen sieben Kuppeln. Mitte des Jahrhunderts, von 1754 bis 1768, wurde vom bayerischen Kurfürsten Max III. Joseph im Friedberger Schloss eine Fayencemanufaktur betrieben. Wegen ihrer Seltenheit sind Friedberger Fayencen heute teuer bezahlte Antiquitäten. Einige können im Heimatmuseum, das im Schloss untergebracht ist, neben Friedberger Uhren und vielen weiteren Exponaten zur Geschichte des Friedberger Raumes besichtigt werden.
Mit Napoleon wurde Bayern 1806 Königreich, Augsburg und Schwaben kamen zu Bayern, Friedberg war nicht mehr Grenzstadt. Es kam 1808 an den Lechkreis, 1810 an den Isarkreis und 1817 an den Oberdonaukreis. Unter König Ludwig I. lebten die alten Provinzbezeichnungen wieder auf, Friedberg wurde 1838 Oberbayern zugewiesen. Das 19. Jahrhundert ist gekennzeichnet durch zunehmende Industrialisierung und damit verbundener Landflucht und Verstädterung. Die Landwirtschaft spielte in Friedberg kaum mehr eine Rolle, Handel und Gewerbe florierten. Die Stadt hatte sich eine gewisse Zentralität behauptet. Ab der Mitte des Jahrhunderts machte sich allmählich der Einfluss der Augsburger Maschinen- und Baumwollfabriken bemerkbar. Die Lage Friedbergs war günstig. Bei der katastrophalen Wohnungsnot in der Großstadt konnten Wanderarbeiter, heute Pendler genannt, in der Fabrik arbeiten und weiterhin in der Kleinstadt wohnen. Die Haupteisenbahnlinie Augsburg-München wurde 1840 nicht über Friedberg geleitet, die Streckenführung durch das Hügelland wäre wohl zu kompliziert gewesen. Auch hatten Friedberger Fuhr- und Kaufleute aus Existenzangst Einspruch beim König gegen eine Streckenführung über Friedberg eingelegt. Der Anschluss an das Bahnnetz erfolgte dann 1875 mit der Eröffnung der Paartalbahn nach Ingolstadt. Am 2. März 1868 stürzte der Kirchturm der alten gotischen Hallenkirche ein. Der nach italienischen Vorbildern im neuromanischen Stil errichtete Neubau macht auf viele Besucher der Stadt den Eindruck eines Fremdkörpers, die Friedberger haben sich an ihr Gotteshaus gewöhnt.
Die beiden Weltkriege forderten von der Friedberger Bevölkerung einen hohen Blutzoll an Gefallenen. Die Stadt selbst kam trotz der Nähe zu Augsburg fast unversehrt aus dem Krieg, vor allem auch dank beherzter Bürgerinnen und Bürger, die noch in den letzten Kriegstagen die drohende Zerstörung verhinderten. Hatte Friedberg schon während der ganzen NS-Zeit zum Gau und Reichsverteidigungskommissariat Schwaben gehört, so wurde es bei der Neueinteilung der Landkreise mit Wirkung vom 1. Januar 1944 Schwaben zugeteilt. Bei einer Volksabstimmung 1950 sprachen sich 60 Prozent der Bevölkerung für den Verbleib bei Schwaben aus. Immer wieder war Friedberg im Verlauf seiner Geschichte als Grenzstadt ein Spielball der verschiedenen Interessen gewesen, immer wieder wurde es umlagert, immer wieder verlor es Gebiete. 1864 wurde die Friedberger Au am Lech ausgegliedert, zu Beginn des Jahres 1913 verlor es einen großen Teil seines Gebietes diesseits des Lechs, das heutige Hochzoll. Die neue Grenze wurde am Bayerischen Hochzoll gezogen. Die Straße nach Mering trennte nunmehr Friedberg von Augsburg. Östlich dieser Straße ist bis heute eine große Vorstadt gewachsen, Friedberg-West, mit nahezu 3000 Einwohnern. Diese Vorstadt konnte sich bei der Landkreis-Gebietsreform 1972 einer geforderten Eingemeindung nach Augsburg widersetzen, indem es sich mit großer Mehrheit für einen Verbleib bei Friedberg entschied. Dennoch schlug die Reform wieder tiefe, nur langsam vernarbende Wunden. Friedberg verlor den Landkreissitz und bildet seither mit Aichach den Landkreis Aichach-Friedberg. Die Gemeinde-Gebietsreform 1978 vergrößerte die Stadt um die Stadtteile Bachern, Derching, Haberskirch, Harthausen, Hügelshart, Ottmaring, Paar, Rederzhausen, Rinnenthal, Rohrbach, Stätzling, Wiffertshausen und Wulfertshausen, zum Teil auch gegen deren Willen, so dass sie heute rund 30.000 Einwohner zählt.
Dr. Hubert Raab